Primus patzt nur bei den Gebühren – MNZ

Rechnungshof nimmt Neustädter Finanzen unter die Lupe und bemängelt Defizite
Von Olivia Heß
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Neustadt . Der Haushalt der Stadt Neustadt ist über Jahre hinweg stabil und erscheint fast vorbildlich. Doch lässt sich die Verwaltung Einnahmen entgehen, weil beispielsweise die Gebühren für Wasser und Bestattung nicht kostendeckend sind. Zu diesem Ergebnis kommt der hessische Rechnungshof.
Der Rechnungshof hat in seinem aktuellen Bericht die finanzielle Situation von 109 Kommunen untersucht, darunter Neustadt. Die Stadt hingegen will ihre Bürger nicht über Gebühr belasten, schließt aber „kleine Gebührenerhöhungen“ nicht dauerhaft aus.
Die Prüfer des Rechnungshofes nahmen in Neustadt unter anderem die Gebührensätze, die Verschuldung und die Personalstärke im Zeitraum von 2001 bis 2005 unter die Lupe. Dabei zählt die Junker-Hansen-Stadt zu einer Gruppe von 20 Kommunen mit bis zu 10 000 Einwohnern.
Nur vier dieser 20 Kommunen konnten einen stabilen Haushalt vorweisen, eine davon Neustadt. Zusammen mit sieben anderen Gemeinden gelang es ihr dem Prüfbericht zufolge, die Schulden zu reduzieren.
■ Bürgermeister schließt leichte Erhöhungen in den nächsten Jahren nicht aus
Das ist auch das Ziel des neuen Bürgermeisters Thomas Groll (CDU): In der jüngsten Parlamentssitzung hatte er einen ausgeglichenen Nachtragshaushalt für 2007 eingereicht – mit der Hoffnung, die eingeplanten Kredite in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro nicht vollständig ausschöpfen zu müssen.
Doch nach Ansicht des Rechnungshofes könnte es Neustadt finanziell noch besser gehen. Denn von 2001 bis 2005 hätten beispielsweise die erhobenen Abwassergebühren die Kosten durchschnittlich nur zu 72,4 Prozent abgedeckt. Damit hatte Neustadt im Vergleich mit den 19 anderen Kommunen seiner Größe den niedrigsten Kostendeckungsgrad. Das schont einerseits die Portemonnaies der Bürger. Andererseits muss die Stadt aus dem Steuertopf schöpfen, um das Defizit auszugleichen.
Ähnlich sieht es bei den Beiträgen für Wasser und Bestattungen aus, die ebenfalls nicht kostendeckend waren. Insgesamt seien der Kommune dadurch Einnahmen in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro entgangen, so der Prüfbericht. Eine Modellfamilie mit zwei Kindern hätte einer Beispielrechnung zufolge im Jahr 2005 rund 2 110 Euro Gebühren und Steuern in Neustadt entrichten müssen, inklusive Kindergartenbetreuung, Bestattung, Wasser und Abwasser sowie Abfall. Am teuersten sei Rüdesheim (Rheingau-Taunus-Kreis) mit 2 980 Euro jährlich; am billigsten hätte die Modellfamilie in Hasselroth (Main-Kinzig-Kreis) gelebt.
Mittlerweile hat Neustadt die Abwasserentsorgung an den Zweckverband mittelhessischer Abwasserwerke abgetreten, denn der Verbund könne „wirtschaftlicher arbeiten“, argumentiert Groll. Als Stadt Gebühren kostendeckend zu erheben, würde die Bürger noch mehr belasten. „Das ist nicht sozialverträglich“, sagt Groll. Gleichzeitig schloss der Bürgermeister aber nicht aus, dass in den kommenden Jahren Gebühren leicht angehoben werden könnten. Die Stadt könne das jetzige Gebührenniveau nicht halten.
Er denkt dabei unter anderem an die Kosten für Kindergartenplätze. „Wir weiten ab 1. Januar die Betreuungszeiten aus, da müssen wir die Beiträge leicht anheben“, verriet Groll.
Kostendeckend seien die aber auf keinen Fall. Ebenso wenig wie bei Frei- und Hallenbad. Dort hat die Stadt ein Defizit von rund 200 000 Euro. Das ließe sich bei 25 000 Besuchern im Jahr nicht über die Eintrittskarten bezahlen.