Streben nach sanftem Neustart

Neustadt richtet mit Blick auf Nachwuchs Sonderförderung für Vereine ein / Treffen am 7. Juli
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Das Sonderprogramm „Kinder- und Jugendarbeit unserer Vereine nach Corona“ ist bereits beschlossene Sache, nun geht es an die Umsetzung. Aus diesem Grund wollen Neustadt s Kommunalpolitiker am Mittwoch, 7.Juli ab 19 Uhr im Kultur und Bürgerzentrum das Gespräch mit den Vereinen des Stadtgebietes suchen. „Über ein Jahr lang fielen alle Angebote der Vereine wegen Corona flach“, erinnert Bürgermeister Thomas Groll. Entsprechend gehe es den Mitgliedern nicht gut – insbesondere Kinder und Jugendliche hätten massiv unter den Einschränkungen gelitten: „Wir stellen uns daher jetzt der Frage, wie wir sie stärken können und was für Angebote wir machen können. “
Thematik „parteineutral“ behandeln
Ein Punkt, der auf Initiative von SPD und CDU sowohl auf Kreistags- aber auch auf kommunaler Ebene in Neustadt nachgegangen werden soll, betonen Groll und Kreisjugendring-Vorsitzender Sebastian Sack – die sowohl in der Stadt- aber auch der Kreispolitik aktiv sind. Wichtig ist ihnen dabei, dass diese Thematik quasi „parteineutral“ behandelt wird und Kinder und Jugendliche im Fokus stehen. Die Stadt Neustadt hat nach erwähntem Beschluss der Stadtverordneten bereits 5 000 Euro eingeplant, um die Vereine gesondert zu unterstützen.
„Die Vereine leiden in der Krise stark. Viele haben zahlreiche Mitglieder verloren“, sagt Timo Stark, Vorsitzender des Ausschusses für „Soziales, Familie und Kultur“ und selbst ausgewiesener Vereinsmensch. In „seinem“ Momberger Schützenverein sei das zwar weniger der Fall, und auch bei Neustadts Karnevalsverein nicht das Problem: Aber zum Beispiel in der Leichtathletikgruppe seiner Tochter, wirft Groll ein: Dort hätten „vor Corona“ 14 oder 15 Kinder mitgemacht, jetzt seien es 6 – auch wenn noch unklar sei, ob die Fehlenden gar nicht mehr mitmachen wollen oder sich schlicht noch zurückhalten.
Eine zentrale Frage sei nun, wie sich Kinder und Jugendliche nach mehr als einem Jahr Pause wieder zum Mitmachen motivieren lassen. Die Befürchtung sei, dass bei einigen die Einstellung herrsche: „Es geht ja auch ohne – das hat sich ja im vergangenen Jahr gezeigt.“ Dem gelte es nun, massiv entgegenzuwirken, betont Stark.
Schon im Winter sei im Kreisjugendring die Frage aufgekommen, wie sich Kinder und Jugendliche aus dem Lockdown holen ließen, ergänzt Sack.
Ein wichtiger Aspekt sei, diese nicht nur aufs „Schüler sein“ zu reduzieren: „Wir müssen sie ganzheitlich betrachten. Sie haben Solidarität gezeigt, blieben am längsten im Lockdown und litten am meisten. Jetzt müssen wir der Frage nachgehen, wie wir sie behutsam zur Normalität zurückführen können.“
11 Die Vereine leiden in der Krise stark. Viele haben zahlreiche Mitglieder verloren.
Timo Stark, Vorsitzender des Ausschusses für „Soziales, Familie und Kultur“
Es gelte, drei Problemfelder zu bearbeiten, sagt der Momberger: Zunächst müssen Trainer, Trainerinnen und Betreuende auf die psychosoziale Gesundheit achten, die in vielen Fällen durch die Kontaktbeschränkungen gelitten hätten.
Damit einher gehe auch die Frage nach Nähe und Distanz: „Jugendarbeit lebt von gesunder Nähe und dem Austausch. Fußballer müssen sich wieder rempeln können und Tänzer einander anfassen“, betont er. Das sei aber nach mehr als einem Jahr der Einschränkungen leichter gesagt als getan. Er habe das am eigenen Leib in der Arbeitswelt gespürt: Als er als Lehrer zum ersten Mal wieder in einen normal gefüllten Klassenraum kam, sei er instinktiv zurückgeschreckt und habe nicht gewusst, wie er mit der Situation umgehen solle – oder überhaupt könne.
Um sich auf diesen Schritt angemessenen vorbereiten zu können, haben die Neustädter in Prof. Dr. Hanna Christiansen eine professionelle Begleitung gewonnen: Sie bekleidet am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg die Professur für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie.
Groll: „Notfalls lasse sich das Budget auch erhöhen“
„Wir brauchen die Vereine. Sie sind die Keimzelle der Gesellschaft“, sagt Sack: „Wir wollen es ihnen noch ermöglichen, wieder in die Gänge zu kommen und vielleicht auch mal etwas Besonderes zu machen. “ Und das sei bei knapp einem Dutzend Vereinen, die Jugendarbeit betrieben, mit 5 000 Euro gut machbar. Notfalls lasse sich das Budget auch erhöhen, betont Groll, seines Zeichens Kämmerer der Stadt. „Wir müssen schauen, wie hoch der Bedarf ist“, so Stark.
Insgesamt gelte es, den „Neustart“ sanft zu begleiten und bei den Menschen dafür ein Bewusstsein zu schaffen, wie wichtig die Vereinsarbeit ist. Und in den Vereinen steige auch die Verantwortung der Übungsleiter.
„Wir müssen ihren Blick schärfen und ihnen helfen“, sagt Sack, denn es gelte nicht nur, die Kinder beim sanften Neustart zu begleiten, sondern in der Folge auch zu erkennen, wo Verhaltensauffälligkeiten auftreten: „Wir müssen den Blick der Trainer schärfen.“
Im Vordergrund stehe aber zunächst das Streben, wieder ein Stück Normalität zu schaffen – ohne dabei gegen Coronaauflagen zu verstoßen.