Wo einst eine Linde im Weg stand

Bischof Gerber feiert zum Momberger Kirchenjubiläum
„150 plus 1“ ein Pontifikalamt
Von Florian Lerchbacher
Momberg. Sie ist weder mittelalterlich noch barock oder modern – aber: Sie ist das Wahrzeichen Mombergs, schon aus der Entfernung deutlich zu erkennen und inzwischen 151 Jahre alt. Und damit stammt sie aus einer Zeit, „in der man die alten Formen der Romantik und vor allem der Gotik erneuern wollte, aber noch keine eigenen, neuen Formen geschaffen hatte“. So beschrieb der Momberger Werner Schmitt vor 26 Jahren anlässlich des 125-jährigen Bestehens in einer Chronik die Pfarrkirche St. Johannes der Täufer und sprach schließlich von Neugotik.

Bischof Dr. Michael Gerber kommt am Sonntag

Im vergangenen Jahr hätte das nächste Jubiläum angestanden. Doch Corona machte die Feierlichkeiten unmöglich – und so trafen die Momberger die Entscheidung, das Jubiläum zu verschieben und in diesem Jahr sozusagen 150 plus 1 zu feiern. Aus diesem Grund kommt am Sonntag Bischof Dr. Michael Gerber in den Neustädter Stadtteil und feiert ab 10 Uhr anlässlich des Kirchenjubiläums ein Pontifikalamt. Da die Pandemie aber immer noch wütet, findet der Gottesdienst auf dem Kirchplatz nach den derzeit geltenden Coronaregeln statt, aber wenigstens mit gutem Blick auf das Gotteshaus und ganz in der Nähe des sakralen Raums mit seinem beeindruckenden Netzgewölbe aus rotem Sandstein und den spektakulären Fenstern von Baumeister Carl Schäfer.

Zuvor hatte an Ort und Stelle eine Wehrkirche gestanden, die 1867 abgerissen wurde – und deren Grundstein noch heute im hinteren Ende der Johanneskirche zu sehen ist. Eigentlich war die alte Kirche schon viele Jahre früher zu klein geworden, doch neben ihr stand eine Linde, die niemand anrühren wollte. Ein Architekt hatte sich 1830 den Unmut der Bürger des damaligen „Muminberg ad tiliam“ (Momberg bei der Linde) zugezogen, als er den Vorschlag machte, den Baum zu fällen.

1865 griff dann jedoch die Natur ein: Die Linde fiel während eines schweren Unwetters um, die Grundsteinlegung für die neue Kirche erfolgte zwei Jahre später am 15. September 1867. Die Pläne stammten von dem Kasseler Architekten Georg Gottlob Ungewitter, der auch die Stiftskirche Amöneburg, die evangelische Kirche in Neustadt und mehr als 40 weitere Gebäude entworfen hatte. Den Bau übernahm der Momberger Maurermeister Silverius Schmitt, der im Jahr nach der Fertigstellung 1870 bereits verstarb. Ihm zur Seite standen seiner Vater Peter-Heinrich und einige Maurergesellen aus dem Dorf. Sie hatten bereits die evangelische Kirche in Neustadt errichtet. Werner Schmitt verwies in der Chronik vor 26 Jahren darauf, dass Baumaschinen damals natürlich noch nicht bekannt und entsprechend Phantasie, Geschicklichkeit und Muskelkraft gefragt waren.

So sei beim Bau der Kirche ein schräges Gerüst zum Einsatz gekommen, dass weit hinter dem Momberger Teich seinen Anfang hatte. Über diese Konstruktion seien die schweren, aus der Region stammenden und vor Ort behauenen Sandsteine für den Turm mithilfe von Ochsengespannen und Rollen auf das Kirchenschiff gezogen worden.

Besonderheit sind die ungewöhnlichen Maße

Eine Besonderheit, die die Momberger gerne hervorheben, sind die ungewöhnlichen Maße: Der Innenraum ist 11,35 Meter breit und 10,5 Meter hoch. Ursprünglich seien noch Säulen vorgesehen gewesen. Diese „wollte man aber nicht“, heißt es in einem Infoblatt zur Pfarrkirche, in dem auch noch darauf hingewiesen wird, dass der Turm inklusive Kreuz und Wetterhahn rund 40 Meter hoch ist. Darin befinden sich fünf Glocken: die größte mit einem Durchmesser von 1,20 Metern und einem Gewicht von 1 160 Kilo ist die Erlöserglocke (Ton f), hinzu kommen die Marienglocke (as), die Josephsglocke (b), die Johannesglocke (c) und die Elisabethglocke (es).

Das Gotteshaus verfügt über 432 Sitzplätze. Neben den Fenstern (die zwischenzeitlich zugemauert waren, aber erhalten blieben) und dem Taufstein aus Sebbeteroder Sandstein aus dem Jahr 1506 sticht noch der Kreuzweg aus dem Jahr 1940 ins Auge, den Ferdinand Kolb aus Lütter bei Fulda geschaffen hatte. Nicht zu vergessen ist die Orgel mit ihren 1 224 Pfeifen.

Borussia Momberg organisiert Kirmes

Insgesamt waren in den vergangenen 150 Jahren vier Renovierungen notwendig geworden. Die letzte erfolgte 1969 / 1970, als die Momberger unter anderem die Fenster des Chorraumes wieder vom vorgesetzten Mauerwerk befreiten.

Angesichts des Jubiläums lassen es sich die Momberger auch nicht nehmen, nach dem Ausfall im vergangenen Jahr nun auch wieder Kirchweihfest beziehungsweise Kirmes zu feiern. Organisator ist der Sportverein Borussia. Los geht es am Samstag um 11 Uhr mit dem Ständchen-Spielen im Dorf. Auf dem Kirmesplatz ist Beginn um 15 Uhr. Auf ein klassisches Festzelt verzichten die Sportler angesichts der Corona-Pandemie und der geltenden Vorschriften ebenso wie auf einen Festzug. Stattdessen setzen sie auf eine Art Weindorf mit Pavillons, sozusagen auf eine „offene Veranstaltung“, wie Vorsitzender Christian Decher erläutert. Ab 19 Uhr gibt es Live-Musik von der Band „By the way“. Einen Tag später findet ab 10 Uhr das Pontifikalamt mit Bischof Gerber statt, an das sich um 11.30 Uhr der traditionelle Frühschoppen auf dem Festplatz mit der „Original Momberger Blaskapelle“ anschließt. An beiden Tagen gilt die 3-G-Regelung, betont Decher.