Erst die Resolution, dann die Revolution?

Dreck und Lärm durch A-49-Baustellenverkehr nervt die Neustädter / Groll hat Ideen
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Die Autos sind dreckig, die Fassaden sind dreckig und es kommt immer wieder zu Staus.“ Bürgermeister Thomas Groll sprach während der Stadtverordnetenversammlung ein Thema an, das seit Beginn der Erdaushubarbeiten auf den A-49-Baustellen für Verärgerung sorgt bei den Anwohnern der betroffenen Straßen, aber auch bei allen Bürgern, die durch Neustadt und die Umgebung fahren (die OP berichtete Ende August). Täglich sind mehr als 200 Lastzüge unter anderem in Lehmkaute und Marburger Straße unterwegs. „Wir haben mit Deges und Strabag Gespräche geführt. Aber das ist nicht immer einfach. Der eine spielte dem anderen das Bällchen zu – und umgekehrt“, monierte der Bürgermeister. Immerhin habe die Stadt erreicht, dass die Straßen öfter gereinigt würden und einmal die Woche eine Kehrmaschine die Gehwege reinigt – doch das reiche noch lange nicht, wie sich zeige. Und da davon auszugehen sei, dass die Lastwagen rund um Neustadt noch bis März oder April unterwegs seien müssten, gelte es, den Verkehr im Stadtgebiet zu minimieren. Der Vorschlag aus Neustadt lautet, den Verkehr über Wirtschaftswege im Feld quasi an der Stadt vorbeizuführen.

Gegenwärtige Belastung „nicht hinnehmbar“

Aus diesem Grund haben die drei Fraktionen und der Magistrat eine Resolution entwickelt, die mehrere Punkte umfasst: Zunächst erinnern sie daran, dass sich Stadtverordnetenversammlung und Magistrat für den Weiterbau der Autobahn 49 ausgesprochen hatten und die Straße als wichtig für den Wirtschaftsstandort Ostkreis und als gute Entlastung für die Kernstadt und die Stadtteile ansehen. Aber: „Auch wenn Lehmkaute und Marburger Straße im Planfeststellungsbeschluss (…) für die Aufnahme des Baustellenverkehrs vorgesehen sind, halten wir die gegenwärtige Belastung von über 200 Lkw-Fahrten am Tag für nicht hinnehmbar. Dreck und Staub auf beiden Straßen und auf den Gehwegen sowie teilweise auf den Hausfassaden stellen eine große Belastung für die Anwohner dar. Hier bedarf es dringend der Abhilfe.“

Die Neustädter begrüßen, dass Groll bei Deges und Bau-Arge eine Erhöhung der Straßenreinigung erreicht habe: „Dies alleine erscheint aber nicht ausreichend.“ Daher spreche sich die Stadtverordnetenversammlung für eine alternative Wegeführung aus: „Deges und Bau-Arge werden aufgefordert, kurzfristig und ernsthaft eine Wegeführung über landwirtschaftliche Wirtschaftswege von der L 3071 über das Gewerbegebiet ,Am Gelicht’ zur B 454 zu prüfen und umzusetzen.“ Der Kreis werde gebeten, dieses Ansinnen zu unterstützen.

Die Stadtverordneten stimmten einstimmig zu, nur Merve Hamel (FWG) enthielt sich. Wenn dieser Appell beziehungsweise dieses Zeichen nicht ausreiche, müsse man eben darüber nachdenken, zu anderen Mitteln zu greifen, resümierte Groll und stellte in den Raum, Autos in den Weg zu stellen oder vermehrt Menschen die Straßen überqueren zu lassen.

Auch gegenüber der OP ärgern sich Neustädter weiterhin über Dreck und Lärm. Ein bisschen Straßenkehren reiche einfach nicht, moniert Jochen Ertl. Er – Eigentümer eines Einzelkulturdenkmals – und sein Nachbar hätten beispielsweise erst vor wenigen Jahren die Fassaden neu machen lassen.

Das sei quasi für die Katz gewesen, denn das stehe durch den entstehenden Dreck nun bald wieder an – und dafür werde mindestens ein hoher vierstelliger Betrag fällig. Überall sei der Rot- oder Braunstich nicht zu übersehen. Hinzu komme, dass durch das hohe Lastwagen-Aufkommen die Häuser beschädigt würden: „Beim Nachbarn sind schon Risse im Gebäude entstanden, bei mir ist ein Stück Putz abgefallen.“

Die Resolution sei zwar schon einmal sehr gut, gehe aber nicht weit genug: „Unser Wunsch ist es, dass auch die Häuser gereinigt werden.“ Vor allem aber sollten die Lastwagenfahrer schon einmal aufgerufen werden, mit „kleinen Maßnahmen“ die Verschmutzung zu reduzieren: Ständig sehe er vollbeladene Fahrzeuge, bei denen die Planen nicht geschlossen seien. „Das würde aber Zeit kosten und wird daher nicht gemacht“, ärgert er sich und ruft dazu auf, dass sich die Arbeiter diese Zeit nehmen sollten, um die Belastung der Menschen zu reduzieren.

Er ruft die für den Bau Verantwortlichen dazu auf, mit den Anwohnern das Gespräch zu suchen: „Sie können sich ansehen, wieviel Dreck entsteht und wie die Tassen im Schrank wackeln, wenn die Lastwagen hier vorbeibrettern.“ Außerdem sollten sie sich Gedanken darüber machen, wie sie entstandene Verschmutzungen und Schäden wieder beheben. „Der jetzige Zustand ist nicht akzeptabel“, resümiert er.

In Stadtallendorf hilft die Bundeswehr

In Stadtallendorf sorgt derweil die Bundeswehr dafür, eine Verschmutzung und eine zusätzliche Belastung der Innenstadt zu verhindern. Eigentlich sollte demnächst im Zuge des A-49-Lückenschlusses der Bau der Brücke bei Niederklein beginnen, was bedeutet, dass eine Vielzahl von Lastwagen zwischen dem Betonwerk und dem Stadtteil hin- und herfahren müsste. Damit dieser zusätzliche Verkehr sich nicht durch die Innenstadt quälen muss, hilft die Bundeswehr aus und stellt Strecken auf ihrem Gelände zur Verfügung, wie Kasernenkommandant Oberstleutnant Stephan May berichtet.

Schon jetzt sind dort – unter anderem auf der Trasse der ehemaligen Wasag-Bahn – zahlreiche Lastwagen unterwegs, die Erdaushub transportieren, der von den A-49-Baustellen stammt. Wenn dann auch noch die Betontransporte hinzukommen, werde zwar am Nadelöhr Eisenbahnbrücke eine Ampel notwendig, sagt May und ergänzt, dass dies Bundeswehr- und Bauverkehr natürlich einschränke. Aber wenn die Bundeswehr so die Bürger Stadtallendorfs entlasten könne, dann sei das wichtiger, als ruckzuck und ohne kurze Wartezeit auf dem eigenen Gelände von A nach B zu kommen: „Das ist es uns wert“, betont er. Dies müsse nur noch mit dem Verkehrsplaner der Bau-Arge abgestimmt werden, dann könne es am 1. Oktober losgehen. „Allerdings müssen die Bürger dann auch akzeptieren, dass das Betreten des Bundeswehrgeländes oder der Autobahntrasse streng verboten ist. Bisher wurde es vielleicht geduldet, dass sich Bürger hier aufhielten – das geht, wenn zusätzlicher Verkehr kommt, aber nicht mehr.“