Corona schränkt die Erstaufnahme ein

Regierungspräsidium bezieht Stellung zu Vorwürfen von Flüchtlingen und Unterstützern
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Eigentlich sollte es ein Termin werden, bei dem Bürgermeister Thomas Groll, Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich und Manfred Becker, beim Regierungspräsidium in Gießen Leiter der Abteilung, die sich um die Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs) in Hessen kümmert, über fünf Jahre EAE in Neustadt berichten. Über die gute Zusammenarbeit, das reibungslose Miteinander, den unkomplizierten Austausch und die Hoffnung Grolls, dass Neustadt als Kommune, die etwas für die Allgemeinheit tut, auch nach ihrer Zeit im Förderprogramm „Soziale Stadt“ (2025) in einem weiteren Städtebauförderprogramm aufgenommen wird.

Doch letztlich stand etwas anderes im Vordergrund: Die Kritik des Arbeitskreises zur Unterstützung der Menschen in der EAE und von Flüchtlingen, die gegenüber dem HR gesagt hatten, sie fühlten sich aufgrund von Ausgangsbeschränkungen wie im Gefängnis, die mangelhafte Hygiene beklagt und moniert hatten, dass sie eng aufeinandersitzen und nicht einmal in der Einrichtung kochen dürften. Der Arbeitskreis bezeichnete außerdem die medizinische Versorgung als unzureichend und kritisierte, dass Kinder nicht in die Schule gehen und Ehrenamtliche die Anlage nicht betreten dürfen.

„Die einen behaupten, Flüchtlinge leben in Deutschland mit Champagner und Kaviar, die anderen sagen, sie liegen im Dreck – beides stimmt nicht“, nahm Ullrich zunächst zu generelleren Behauptungen, die immer mal wieder aufkämen, Stellung.

Danach ging er auf die konkret formulierten Vorwürfe ein: Die EAE sei nun einmal eine Sammel- und keine Einzelunterkunft, in der Flüchtlinge zunächst leben müssten. „Aber der Standort Neustadt ist recht großzügig. Natürlich gibt es dort Sechsbettzimmer, aber momentan leben dort 562 Menschen – wobei wir Platz hätten für bis zu 1 200 Menschen. Dort wird niemand zusammengepfercht.“ Und ja, die Bewohner müssten sich sanitäre Anlagen teilen: „Aber wir haben nach Beginn der Corona-Pandemie die Reinigungsintervalle erhöht“, ergänzt Becker, verweist auf zahlreiche Spender mit Desinfektionsmitteln und betont, dass die Einrichtung in Neustadt sogar gerichtlich belegt bekommen habe, dass ihr Hygienekonzept gut sei.

Zum „Gefängnis“-Vorwurf sagt Ullrich, dass zwar ein Zaun um die Anlage sei, die Menschen die EAE aber eigentlich Tag und Nacht verlassen können – zumindest in „normalen“ Zeiten. Betreten dürfe die Anlage dieser Tage niemand Externes, da das Gesundheitsamt die Einrichtung aufgrund von Corona-Fällen (derzeit 37) gesperrt habe. Noch dazu gebe es eine Quarantäne.

Will heißen: Den Mitarbeitern der Security, die sonst lediglich beim Betreten Zugangsberechtigungen überprüfen, liege eine detaillierte Liste vor, wer die EAE nicht verlassen darf, so Becker. Dies seien positiv auf Corona getestete Menschen und solche, die aufgrund von Kontakt zu Infizierten in Quarantäne müssten: „Diese Gruppe war zwischenzeitlich relativ groß.“

Solche Regelungen gebe es aber auch außerhalb der EAE, stellt er noch einmal heraus und berichtet, dass Menschen aus der sogenannten „Kontaktgruppe I“ teilweise sogar aus Sicherheitsgründen länger in Quarantäne seien als solche, bei denen die Krankheit ausgebrochen war und die davon genesen sind: „Das sind manchmal wirklich unglückliche Konstellationen.“

Die Schule besuchen dürfen Kinder und Jugendliche aus der EAE dieser Tage tatsächlich nicht. Dies sei seit der ersten Reihentestung und den ermittelten Corona-Ausbrüchen der Fall, erklärt Ullrich. „Wenn wir jetzt Kinder trotz Bedenken in die Schule schicken, würde die Einrichtung jede Akzeptanz in der Bevölkerung verlieren. Wir gehen da auf Nummer sicher“, sagt Ullrich. Lehrer hätten aber Aufgaben in die EAE gebracht, „und wir versuchen, ersatzweise Unterricht anzubieten“, ergänzt Becker. Dies sei leider aber nur manchmal möglich.

Ehrenamtler dürfen dieser Tage aufgrund der Entscheidung des Gesundheitsamtes nicht in die Einrichtung. Das sei schade, aber verständlich, wirft Groll ein und verweist darauf, dass bei sämtlichen Vereinen die Aktivitäten Corona-bedingt ruhen müssen – entsprechend müsse dies auch für die EAE beziehungsweise das ehrenamtliche Engagement für Flüchtlinge gelten. Ehrenamtliche würden aber für bessere Zeiten bereitstehen. Im November erst habe der bsj die Ehrenamtskoordination übernommen, berichtet er. Theoretisch könnte also einiges laufen – es lasse sich aber aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen derzeit nicht umsetzen.

Den Vorwurf des Arbeitskreises, die medizinische Versorgung sei unzureichend, nimmt Ullrich quasi kopfschüttelnd hin – schließlich gebe es eine Krankenstation in der Einrichtung. „Und wer akut krank ist und dort nicht mehr versorgt werden kann, der kommt ins Krankenhaus“, sagt er. Die psychosoziale Betreuung erfolge derweil telefonisch, ergänzt Becker, aber akute psychische Erkrankungen würden natürlich auch im direkten Kontakt behandelt.

In Sachen „mangelhafte Informationen“ betonen die beiden Männer, dass es in der EAE einen „Infopoint“ gebe, an dem sich alle Bewohner informieren können. Was korrekt sei,