500. Fahrgast: 82-Jährige berichtet, wie sie das Projekt des Vereins „Wir für uns“ nutzt
VON FLORIAN LERCHBACHER
NEUSTADT. Seit einigen Jahren setzt sich die Mombergerin Wilma Drescher (82) nicht mehr selber hinters Steuer. „Ich kann einfach nicht mehr fahren“, erklärt sie ihre Entscheidung – die mit einigen Veränderungen und Einschränkungen einherging. Der Weg zum Arzt oder zum Einkäufen nach Neustadt war kein Katzensprung mehr, sondern jedes Mal mit organisatorischem Aufwand verbunden. Entweder musste sie Verwandte oder Freunde finden, die sie in die Kernstadt bringen, oder es galt, sich ein Taxi zu bestellen – für Menschen mit kleiner Rente auf Dauer keine Alternative.
Sohn, Schwiegertochter oder Neffe hätten ihr meist geholfen, betont sie noch immer voller Dankbarkeit. Doch natürlich hätten auch sie zum einen Arbeit und zum anderen eigene Termine, sodass die Mobilität der Seniorin trotz
dem weiter stark eingeschränkt war.
Doch dann hoben die Neustädter ein Projekt aus der Taufe, das (in bereits einigen Gemeinden) für viele Menschen ein Segen ist, wie Drescher betont: den Bürgerbus, der dank sozialen Engagements dienstags und donnerstags die Stadtteile mit der Kernstadt verbindet und Bürgern ein Stück Unabhängigkeit zurückgibt. Einmal die Woche muss die Mombergerin beispielsweise zur Physiotherapie nach Neustadt – ein Weg, den sie inzwischen regelmäßig im Bürgerbus zurücklegt: „Ich lege mir meine Termine so, dass sie zum Fahrplan passen“, berichtet die „Kundin“ der ersten Stunde (das Angebot ist kostenlos) und ergänzt, dass sie nun nicht mehr beziehungsweise weit weniger von Freunden und Familie abhängig sei.
Berührungsängste habe sie auch keine gehabt: Zum einen, weil sie einfach froh über die neuen Möglichkeiten war, zum anderen aber auch, weil man im überschaubaren Neustadt die meisten Fahrer dann doch irgendwie kenne oder zumindest schon einmal gesehen habe. Oder eben kennenlerne – was auch für die regelmäßigen Mitfahrer gilt, auf die man immer wieder treffe. Der Bürgerbus stärkt also auch das soziale Gefüge im gesamten Stadtgebiet.
Es würde uns freuen, wenn nicht nur ältere Menschen auf den Bürgerbus zurückgreifen.
Dieter Trümpert,Vereinsvorsitzender
Wilma Drescher war dann auch noch der 500. Gast und nahm dafür von Dieter Trümpert, dem Vorsitzenden des für den Bürgerbus verantwortlichen Vereins „Wir für uns“, Koordinator Gerd Leißner, Jubiläumsfahrer Gerald Schenk und Bürgermeister Thomas Groll einen Strauß Blumen entgegen. „Die Zahl der Mitfahrer macht uns stolz“, freute sich Trümpert und appellierte an die Bürger: „Nutzen Sie unser Angebot weiter. Es würde uns freuen, wenn nicht nur ältere Menschen auf den Bürgerbus zurückgreifen, sondern gerne auch die jüngeren. Der Bus ist für alle da!“ Dieser Aussage schloss sich der Rathauschef an und ergänzte: „Das Angebot wird bestimmt noch besser, wenn der Bürgerverein ins Familienzentrum im neu gebauten Bürger- und Kulturzentrum kommt.“ Und wenn der RMV Mitte des Jahres seinen überarbeiteten Fahrplan herausgibt, wollen die Neustädter auch reagieren. Bis dahin sei sicher klar, wo es noch Bedarf für Veränderungen geben soll, sagt Leißner – über jede Fahrt werde schließlich Buch geführt und die erhobenen Daten würden evaluiert – ein Arbeitskreis kümmert sich um die Überarbeitung des Fahrplans. Und Anregungen der Fahrgäste beispielsweise für zusätzliche Haltestellen seien jederzeit willkommen. Dabei sind die Fahrer auch jetzt schon sehr flexibel, kommen Sonderwünschen nach oder kutschieren Mitfahrer mit vollen Einkaufstaschen bis vor die Haustüre.
Besonders stark nutzen derzeit die Momberger den Bürgerbus, die Mengsberger sind laut Bürgermeister Groll die „Sorgenkinder“, während die Speckswinkler sich an alten Strukturen orientieren und eher den Weg nach Stadtallendorf denn nach Neustadt einschlagen. Werbeträger ist der Bürgerbus inzwischen übrigens auch. Alle Erlöse fließen direkt in das Projekt, stellt Trümpert heraus und berichtet, dass sechs von zehn verfügbaren Flächen schon vergeben seien. „Aber das Sahnestück vorne ist noch frei“, ergänzt er vielsagend.