Amtierender Bürgermeister verteidigt seine Politik und kritisiert Aussagen von Herausforderer
Von Nadine Weigel
Neustadt.
Streitgespräche zwischen Bürgermeisterkandidaten sind ein neuer, künftig fester Bestandteil der OP-Berichterstattung. Das sollte auch in Neustadt so sein. Natürlich hatte die OP beide Bewerber eingeladen. Doch Heinrich Ulmer (parteiunabhängiger Kandidat, aber AfD-Mitglied) sagte seine Teilnahme im Dezember ab. Die Begründung: „Ich habe mehrfach versucht, mit Thomas Groll ins Gespräch zu kommen, ohne Erfolg. Deshalb will ich jetzt auch keinen Dialog bei so einem Termin“.
Groll erwidert: „Herr Ulmer hat mich im Wahlkampf um kein Gespräch gebeten, weder schriftlich noch per Telefon oder im direkten Gespräch. Er kommentiert lediglich dann und wann meine Facebook-Posts.“ Nun konfrontierte OP-Redakteur Michael Rinde zumindest den Kandidaten Groll mit mehreren Themen, unter anderem auch mit den Aussagen seines Gegenkandidaten zu Straßenbeiträgen oder zum Bahnhof Neustadt.
Groll: „Stillstand hat einen Namen: Ulmer“
Ulmer hatte im OP-Interview angekündigt, die Straßenbeiträge abschaffen zu wollen. Dazu Groll: „Springen wir dann von Schlagloch zu Schlagloch oder haben wir grundhaft sanierte Straßen?“ Er verteidigt seine Politik, konstant in die Infrastruktur seiner Stadt zu investieren. „Herr Ulmer stellt nur populistisch in den Raum, die Straßenbeiträge abschaffen zu wollen, ohne seriös zu beantworten, wo dann jährlich 500.000 bis 600.000 Euro herkommen sollen“, kritisiert Groll und stellt infrage, dass sein Kontrahent „Ahnung von der Haushaltssystematik“ habe. Denn ansonsten müsse Ulmer zugeben, dass er dann woanders „Einschnitte machen müsse, die wehtun.“ „Will er weniger Personal am Bauhof?, Will er sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben für Kindergärten halten?, Will er, dass wir keine Vereine mehr fördern? Das muss Herr Ulmer sagen, tut er aber nicht“, empört sich Groll.
Er ist sich hingegen sicher, dass Neustadts Bürger verstanden hätten, dass das System der Straßenbeiträge „notwendig und gerecht“ sei. „Wir müssen Straßen reparieren, ansonsten haben wir Schlagloch an Schlagloch“. „Kommunalpolitik heißt auch Verantwortung haben und das bedeutet auch, den Menschen zu sagen, es kostet etwas“, betont der Amtsinhaber und kündigt an, dass der „Kernstadtbewohner weiterhin jedes Jahr 12 bis 13 Cent Straßenbeiträge pro Quadratmeter zahlen“ müsse.
Heinrich Ulmer hatte im OP-Interview zudem kritisiert, dass Groll sich für Investitionen aus Fördergeldern bediene, da dies letztlich auch den Steuerzahler belaste. Über diese Aussage kann sich Groll nur wundern. „Wenn ich Geld für meine Stadt kriegen kann, dann nehme ich das doch“, betont Groll, der an seinem inoffiziellen Titel „Fördertopfkönig“ nichts Schlechtes entdecken kann.
In diesem Zusammenhang hatte AfD-Mitglied Ulmer auch den Bau des Dorfgemeinschaftshauses „Haus für alle“ in Mengsberg als unnötig kritisiert. Groll indes verteidigt den Bau vehement. „Wenn wir den höchsten, jemals in Hessen gezahlten Zuschuss für ein solches Objekt kriegen, dann wäre der Bürgermeister ziemlich hohl, wenn er dieses Geld nicht nehmen würde“, amüsiert sich der Amtsinhaber, der Ulmers bisher geleistete Aussagen bezüglich Infrastruktur so zusammenfasst: „Stillstand hat einen Namen: Ulmer!“
Wenn man wie Ulmer sage, es sei alles zu teuer, dann müsse man letztlich „alles komplett zumachen“. Dies sei aber falsch. Man müsse mal etwas Mut haben, um Visionen umzusetzen, die eine Stadt für ihre Bürgerinnen und Bürger attraktiv halte, findet Groll. Dazu gehöre auch der Bahnhof, dessen Prioritäten er wie folgt einstuft: Barrierefreiheit, Sicherheit und Sauberkeit seien das Wichtigste. Dafür lohne es sich, auch Geld in die Hand zu nehmen – allerdings habe er längst mit der Bahn ausgehandelt, dass die DB die Kosten für die Barrierefreiheit übernehmen werde.
Ärzteversorgung soll nicht zum Problem werden
Angesprochen auf das Thema Ärzteversorgung, wird Groll ernst: Derzeit gebe es in Neustadt drei Hausarztpraxen und fünf Ärzte, von denen drei bereits 65 Jahre und älter seien. Eine Nachfolge sei derzeit nicht geklärt. „Wenn es den Ärzten selbstständig nicht gelingt, Nachfolger zu finden, dann werden wir zum Beispiel über ein medizinisches Versorgungszentrum nachdenken müssen“, sagt Groll und wirft Ulmer vor, dass er sich noch nie zu diesem Thema geäußert habe: „Das ist doch ein Zukunftsthema dieser Kommune!“ Er kündigt an: „Wenn es vonseiten der Ärzte in diesem Jahr nicht zu Lösungen kommt, die tragfähig sind, werden wir völlig neu nachdenken müssen.“ Und auch da müsse die Stadt bereit sein, Geld in die Hand zu nehmen, damit die Menschen ihren Hausarzt vor Ort nicht verlieren, betont er.
Allgemeinmediziner mit einer Anreizförderung aufs Land locken zu wollen, sieht Groll allerdings skeptisch. „Es kommt kein Arzt, nur weil man ihm 40.000 Euro gibt“, ist sich Groll sicher. Vielmehr müsse man versuchen, den Standort attraktiv zu machen, indem man mit der Miete unter dem Marktdurchschnitt bleibe, oder indem man den Ärzten die Verwaltungsaufgaben für ihre Praxis abnehme. Vor allem Letzteres sei nichts, das er sich wünsche. Aber wenn es nötig sei, damit die medizinische Versorgung gewährleistet bleibe, „dann müssen wir diesen Weg eben gehen.“