Der Natur genommen, der Natur gegeben

Bevor der A49-Lückenschluss erfolgen kann, müssen Flora und Fauna auf 750 Hektar geschützt werden
Entlang der Autobahnteilstücke, die durch den Ostkreis führen, werden ab dem 1. Oktober die Bäume an der Trasse gefällt, wie diese Zeitung berichtete. 85 Hektar Wald fallen der Straße zum Opfer.
von Mathias Mayer
Ostkreis. Dieser Eingriff in die Natur muss ausgeglichen werden. Das verlangt das Gesetz. Folglich werden Ersatzaufforstungen im gleichen Umfang vorgenommen. Was der Natur für den Bau der Straße zwischen Schwalmstadt und der Einmündung in die Autobahn 5 bei Ge- münden Felda genommen wird, bekommt sie an Ausgleichsflächen zurück. 750 Hektar oder 7,5 Quadratkilometer werden der Natur zurückgegeben. Diese Zahl nannte Claus Rosenstein während eines Pressegesprächs der DEGES-Experten zur A49 in Stadtallendorf. Claus Rosenstein betreut das Fachgebiet Ökologie und aus Ausgleichsmaßnahmen.
Die Größe der Ausgleichsflächen ist angemessen. Schließlich wird die Straße stolze 27 Meter breit sein. 20 Brücken werden über die Autobahn auf 30,8 Kilometern zwischen Schwalmstadt und Gemünden /Felda gebaut. Dazu kommen 19 Autobahnbrücken und 6 Talbrücken.
Die längste Talbrücke über das Gleental unweit von Lehrbach ist rund 430 Meter lang. Am Autobahndreieck gibt es zudem einen sogenannten „Überflieger“ eine langgestreckte Brücke, die direkt von der A 5 aus Richtung Frankfurt direkt auf die A49 führt. Aus dieser Richtung wird der meiste Verkehr auf der A 49 erwartet. Insgesamt wird auf der A 49 ab 2025 an Werktagen eine Verkehrsbelastung von 33 000 bis 38 000 Fahrzeugen erwartet. Darunter sind 20 Prozent Lastwagen, deren Gesamtgewicht über 2,8 Tonnen liegt.
Gegen den Beton wird die Natur gesetzt. Die OP dokumentiert einige Ausgleichsvorhaben, die zum Großteil entlang des südlichen Abschnitts zwischen Stadtallendorf Nord und Gemünden/Felda angesiedelt sind.
■ Kammmolch-Teiche: Der Kammmolch, das Wappentier der unendlichen Geschichte um die A 49, bekommt weitere Schutzzonen in Form von Teichen. Am nordöstlichen Rand Stadtallendorfs sind solche Teiche schon fertig. Andere Teiche folgen am Geiersberg im Süden der Stadt, wo links und rechts der Autobahntrasse Kammmolch-Teiche gebaut werden.
■ Renaturierung von Gewässern auf einer Länge von 5,4 Kilometern. Von der Aufwertung profitiert die Joßklein auf einer Länge von 1,25 Kilometern. Ganz wichtig: Das im Oberlauf zum Teil in Rohren und unter Asphalt verschwundene Gewässer soll wieder freigelegt und renaturiert werden. Auch im südlichen Teil braucht die Joßklein Hilfe. Tiefenerosionen und das Überwachsen des Baches erlauben an einigen Stellen kein naturnahes Bild.
■ Extensivierung von Grünlandflächen: 71 Hektar konventionell genutzte Grünlandflächen sollen in extensiv genutzte Grünlandflächen umgewandelt werden. Extensiv bewirtschaftete Grünlandflächen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen der Agrarlandschaft überhaupt. Sie sind Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Merkmal für extensiv gepflegte Flächen ist das Mähen. Die Mahd findet nur zweimal im Jahr statt – die erste Mahd besonders früh.
■ Umwandlung von Ackerflächen: 23 Hektar Ackerland sollen in Grünland umgewandelt werden. Das wiederum, wird extensiv bewirtschaftet.
■ Renaturierung Steingraben: Die Brücke auf der Kreisstraße zwischen Schweinsberg und Dannenrod musste völlig neu gebaut. DEGES nutzte die‘ Gelegenheit, den Steingraben auf einer Länge von 500 Metern zu renaturieren. Dieses Vorhaben für die A 49 ist abgeschlossen.
■ Umbau des Fichtenforsts:
Die Trockenheit und der Borkenkäfer haben den Fichtenkulturen in diesem und im vergangenen Jahr dramatisch zugesetzt. Hundertausende Fichten sind vertrocknet. Auf 74 Hektar sollen naturnahe Waldflächen entstehen.
■ Entwicklung von naturnahen Wäldern und Waldrändern: 188 Hektar sollen an ihren Rändern naturnäher gestaltet werden. Auch hier soll die Joßklein von der A 49 profitieren. Sie soll an den Waldrändern naturnäher dargestellt werden.
■ Auenwald: Die Waldform ist in unserer Region nur verhältnismäßig selten anzutreffen. 65 Hektar Wald sollen in Aufwandflächen umgewandelt werden.
■ Bekassinenloch: Das Bekassinenloch befindet sich unweit der Brücker Mühle im Ohmtal. Er trägt diesen Namen, obwohl es dort die langschnäbelige Vogelart nicht gibt. „Höchstens ist dort mal eine Bekassine drübergeflogen“, sagte Claus Rosenstein zu dieser Namensgebung.
Interessant ist, dass DEGES am Bekassinenloch seit Freitag baut. Selbstredend geht es auch dort um ein Ausgleichsprojekt für die A 49. Das zielt zwar nicht auf die Ansiedelung des langschnäbeligen Schnepfenvogels ab, will aber dafür einer ebenso gefährdeten Art das Überleben erleichtern: Dem Kiebitz. Vor-
gesehen ist eine Vernässung des Bereichs, um neuen Lebensraum für den Kiebitz und andere Arten zu schaffen.
Dazu werden jetzt eine Flutmulde und vier flache Tümpel – sogenannte Blänken – geschaffen. In die Flutmulde wird der Lamborn-Bachlauf mit Hilfe einer Wehranlage umgeleitet und nach rund 800 Metern neuem Verlauf an die Ohm angebunden. „Die Blänken werden als flache Mulden bis zu einer Tiefe von 40 Zentimetern unter Geländeoberkante ausgeführt und sich bei feuchter Witterung mit Wasser füllen“, teilte DEGES mit.
Um den Boden zu schonen, wurden vorab Stahlplatten verlegt, über die die Baufahrzeuge die Erde abfahren. Vermutlich bis Anfang Oktober werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Genug Zeit für Interessierte, sich die Arbeiten aus nächste Nähe anzuschauen. Diese sind das Ergebnis eines intensiven Abstimmungsverfahrens unter Beteiligung der Oberen und der Unteren Naturschutzbehörde und von interessierten Naturschutzverbänden.
Für die Beweidung des Areals am Bekassinenloch sind Wasserbüffel vorgesehen. Mit diesen mächtigen Tieren hat man schon an anderer Stelle unterhalb von Amöneburg gute Erfahrungen gemacht.