Experte nimmt sich des Sorgenkindes an

Mario Repka will das älteste Fachwerkhaus in der Kernstadt Neustadts restaurieren
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Von außen sieht Neustadts ältestes Fachwerkhaus aus wie eine absolute Bruchbude, und jeder Mensch, der sich nicht mit historischen Immobilien auskennt, würde beim Gedanken an eine Sanierung wahrscheinlich schreiend Reißaus nehmen.

Doch bei Experten wie dem Stadtallendorfer Mario Repka – der im alten Dorf in seiner Heimat auch schon das älteste Haus vor dem Verfall gerettet hat – sieht das anders aus: Er bezeichnet das Haus „Kreuzgasse 7“ als absolutes Kleinod, das desolat wirke, aber voller Schätze stecke und in besserem Zustand sei, als es der Laie vielleicht glaubt. Der Immobilienfachwirt schwärmt insbesondere vom Treppenhaus, das „der Knaller“ sei, aber auch von alten Holzdielen, „wunderschönen Türzargen“ und der historischen Lamperie (das ist eine Wandverkleidung, die einst zum Schutz angebracht wurde und noch in zwei Räumen erhalten ist).

Einen symbolischen Euro muss Repka der Stadt Neustadt zahlen – deren Bürgermeister sich schon seit Jahren mit den historischen Sorgenkindern auseinandersetzt, für das „Deutsche Haus“ (abgerissen) und den „Bayrischen Hof“ (saniert) bereits Lösungen fand, aber an der Kreuzgasse 7 zu verzweifeln drohte. Immer wieder habe es Interessenten gegeben, „aber konkret wurde es nie“, erinnert sich Thomas Groll und freut sich, endlich einen Fachmann gefunden zu haben, der sich des Sorgenkindes annimmt. Repka hat bereits zweimal den Denkmalschutzpreis des Landkreises gewonnen: zunächst für das Projekt „Mainzer Kellerei“, später dann für das Restaurieren eines historischen Tagelöhnerhauses in der „Leide“.

„Es handelt sich um ein dreigeschossiges, giebelständiges Ackerbürgerhaus“, zitiert Groll aus Unterlagen der Stadt und spricht von einem „Untergeschoss in Ständerbauweise mit langen Streben, einem Obergeschoss als Rähmkonstruktion mit breitgestellten Mannfiguren“ sowie Eckstielen, die mit Säulen verziert sind. „Die Entstehungszeit liegt vermutlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, lautet sein Fazit, das Repka mit Kennerblick sogleich überarbeitet: Die Ständerbauweise sei eher typisch für das 16. Jahrhundert, die Rähmkonstruktion aber tatsächlich für das 17. Jahrhundert.

Aus diesem Grund gehe er davon aus, dass das Haus früher als geglaubt gebaut, aber später umgestaltet worden sei. Und so lautet sein Plan, den denkmalgeschützten Bau zu restaurieren und möglichst viel Altes zu erhalten beziehungsweise sogar herauszustellen: „Ich möchte den ursprünglichen Charakter wieder herausarbeiten.“ Wie viel genau er dafür investieren muss, möchte der Stadtallendorfer – der sich einst als „Fachwerk-Fetischist“ bezeichnete – nicht preisgeben. Er müsse einen sechsstelligen Betrag in die Hand nehmen, dessen endgültige Höhe aber auch von Zuschüssen des Landes und der EU abhängig sei, erklärt er. Ende des Jahres 2022 solle es mit der Restauration losgehen. Dabei geht Repka davon aus, dass das Projekt sich über drei Jahre ziehen werde. So ließen sich gut verschiedene Fördertöpfe anzapfen.

Wie die Kreuzgasse 7 später genutzt werden soll, steht noch nicht fest. „Privat wird schwierig: Ich will jedenfalls keine drei Wohnungen dort einrichten“, sagt Repka und ergänzt, dass er sich etwas „Soziales“ in dem Gebäude, dessen Grundstück 453 Quadratmeter groß ist, gut vorstellen könne. In diesem Zusammenhang stellt Groll heraus, dass die Stadt im kommenden Jahr für 140 000 Euro den gegenüberliegenden Parkplatz „aufwerten“ also umgestalten will. Im Gespräch regt Repka etwas Bepflanzung an, woraufhin der Bürgermeister daran erinnert, dass die Kommune ohnehin den Innenstadtbereich und insbesondere die Marktstraße „neu denken“ will.

Außerdem sind sich die beiden Männer einig, dass Neustadt durch den Weiterbau der Autobahn 49 für Neubürger immer interessanter und somit wachsen werde. Entsprechend werde bald mindestens eine neue Gruppe beziehungsweise neue Kindertagesstätte in der Kernstadt gebraucht – und schon ist die Idee geboren, diese nach der Restauration im ältesten Fachwerkhaus der Stadt unterzubringen. „Darüber werden wir nachdenken“, kündigt Groll an – stellt aber auch gleich heraus, dass dies natürlich noch keine Zusage sei. „Es ist jedenfalls schön, dass wir jemanden gefunden haben, der das Projekt angeht und wieder einen Geist des Aufbruchs durch den Bereich wehen lässt.“