Neustädter wollen mehr für Energiewende tun

Stadtverordnete segneten SPD-Antrag einstimmig ab • Investor hat Flächen für Fotovoltaik im Visier
Im Mittelpunkt der Stadtverordnetenversammlung stand die Haushaltsrede von Bürgermeister Thomas Groll (die OP berichtete). Weitere Themen waren erneuerbare Energien und ein Seniorenheim.
von Alfons Wieber und Florian Lerchbacher
Neustadt. Die SPD-Fraktion hatte unter der Überschrift „Ausbau alternativer Energien weiterhin notwendig – Vorteile für Stadt und Bürger – Wertschöpfung in der Kommune sichern“ einen Antrag eingebracht. Danach sollen zukünftig sowohl Windenergie- als auch Photovoltaik-Freiflächen- anlagen in Neustadt und den Stadtteilen nur noch umgesetzt werden können, wenn die Kommune und die Bürger hiervon einen „deutlich erkennbaren“ finanziellen Vorteil haben.
„Um die Energiewende zu schaffen, brauchen wir den weiteren Ausbau regenerativer Energieformen. Obwohl in unserer Kommune bereits rund 20 Windräder stehen, wollen wir uns weiteren Projekten grundsätzlich nicht verschließen, aber es bedarf hierfür auch einer
möglichst breiten Akzeptanz in der Bevölkerung“, sagte Fraktionsvorsitzender Hans-Gerhard Gatzweiler und ergänzte: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass eine solche Akzeptanz dort am stärksten ist, wo es Beteiligungsformen für die Bürger gibt und auch die Kommune finanzielle Vorteile von solchen Anlagen hat.“
Größte Fläche liegt zwischen
Kaserne und Bahnlinie
Passend dazu hatte Simon Henigin von der Enerparc AG in der jüngsten Bauausschusssitzung seine Ideen für Frei- flächen-Photovoltaik präsentiert. Konkretes Interesse habe das Unternehmen an einer 14 Hektar großen Fläche zwischen Bahnlinie und der Kaserne, wo sich Strom für 3 900 Haushalte gewinnen lasse. Einige Eigentümer der Grundstücke hätten bereits Verträge unterzeichnet und insgesamt sei die Stimmung bei einem gemeinsamen Treffen gut gewesen. Die Planungshoheit liege aber in Händen der Kommune: Sagt sie nein, kommt Freiflächenphotovoltaik nicht infrage.
Ein weiteres für das Unternehmen interessantes Neun-Hektar-Gebiet liegt an der Hundskaute, ein drittes Nahe Momberg, ein viertes nördlich von
Neustadt. Wichtig sei nicht nur, etwas im Sinne der Klimapolitik zu unternehmen, sondern auch, dass „etwas Zählbares bei uns übrig bleibt“, warf Karsten Gehmlich (FWG) ganz im Sinne des SPD-Antrages ein. Die Enerparc AG gebe manchmal Teil ihrer Anlagen an Energiegenossenschaften ab, entgegnete Henigin. Eine andere Option sei direkte Bürgerbeteiligung – in welcher Höhe sei abhängig von der Größe der Anlage. An Pacht gebe es meist um die 2 000 Euro pro Hektar.
Stadtverordnete schaffen Baurecht für Seniorenheim
Die Stadtverordneten segneten den Antrag der SPD letztendlich einstimmig ab. Bürgermeister Thomas Groll berichtete noch, dass bei den vorgesehenen Windrädern „Am Dreiherrnstein“ und in der Gemarkung „Trillrodt“ sowohl die Kommune durch Pachtzahlungen und Wege-Entgelte als auch die Bürger durch Beteiligungsmodelle der Energiegenossenschaft profitieren könnten. Er regte noch eine „Vierer-Kommission“ aus Vertretern der drei Fraktionen und ihm an, die etwaige Anfragen von Investoren vorab bewerten sollte.
Ebenso einstimmig schufen die Stadtverordneten Baurecht für das geplante Seniorenheim mit rund siebzig Plätzen nebst Tagespflege und betreutem Wohnen in der Marburger Straße. Der Eigentümer der Fläche wäre damit in der Lage, Anfang 2020 in das Baugenehmigungsverfahren einzutreten.
Zwischenzeitlich hat der ursprüngliche Vorhabensträger das Projekt an eine erfahrene Bauträgergesellschaft aus Gießen veräußert. Diese hat vergleichbare Objekte bereits umgesetzt. Nach Auffassung des Bürgermeisters gibt es in Neustadt aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung durchaus Bedarf für zwei Einrichtungen.
Am Ende der letzten Sitzung des Jahres lobte Stadtverordnetenvorsteher Franz-W. Michels Fraktionen und Magistrat für die geleistete Arbeit und ergänzte: „In Neustadt vollzieht sich Kommunalpolitik in konstruktivem Miteinander und nicht im Streit – und das ist gut so.“