Gebäude für Kinderbetreuung in der Erstaufnahmeeinrichtung steht erst in vier Wochen zur Verfügung.
Es gebe zahlreiche Anfragen von Bürgern, die sich ehrenamtlich für die Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung engagieren wollten, sagt Neustadts Bürgermeister. Doch es fehlen wichtige Voraussetzungen dafür.
von Michael Rinde
Neustadt. 632 Flüchtlinge sind aktuell, Stand Montagmittag, in der Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Bis zum Herbst sollen es 800 sein, die vom Regierungspräsidium (RP) Gießen zugesagte Maximalzahl. Während es bei der Marburger Zeltunterkunft ein herausragendes ehrenamtliches Engagement von Bürgern gibt, ist davon in Neustadt nach außen derzeit nichts zu merken. Das liegt aber nicht an mangelndem Interesse der Bürger. Das war und ist groß. „Wir bekommen als Stadt nach wie vor Anfragen von Bürgern, die etwas tun wollen. Es gibt sehr viele, die endlich loslegen wollen“, sagt Neustadts Bürgermeister Thomas Groll (CDU). Am vergangenen Freitag hatte der Kreistag einen deutlichen Appell in Richtung Land formuliert (die OP berichtete) – und damit einen wunden Punkt genau getroffen: Auf Anfrage der OP erläutert RP-Sprecherin Ina Veite, dass derzeit sechs Sozialbetreuer in der Erstaufnahmeeinrichtung aktiv sind – für drei Stellen werden geeignete Kandidaten gesucht.
Doch bis es eine Kinderbetreuung beispielsweise gibt, werden noch rund vier Wochen vergehen, weil das benötigte Gebäude erst dann bereitsteht.
Dort sollen auch die ehrenamtlichen Angebote stattfinden und vor allem auch koordiniert werden – so, wie es in der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung seit Jahren bewährte Praxis ist. In Neustadt hatte es deshalb auch zwei öffentliche Veranstaltungen gegeben. Doch eine ehrenamtliche Koordination aller Aktivitäten gibt es noch nicht. Eine solche Koordination könnte beispielsweise eine kirchliche Einrichtung übernehmen. Es gebe vielversprechende Gespräche, sagt Ina Veite. In einigen Wochen rechnet das Regierungspräsidium mit einem Ergebnis.
Leiter ist vorübergehender Ansprechpartner
Bis dahin sollen aber Angebote und Anfragen nicht weiter ins Leere laufen. Ansprechpartner ist Einrichtungsleiter Dominik Zutz, erreichbar über die E-Mail-Adresse dominik.zutz@ heae-giessen.hessen.de. So weit die Ist-Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung. Das Thema Betreuung von Flüchtlingen wird in der Erstaufnahmeeinrichtung also noch länger auf der Liste stehenbleiben, die noch abzuarbeiten ist. Zuletzt hatte „Pro Asyl“ gegenüber dieser Zeitung darauf gedrängt, die Sozialbetreuung in der früheren Kaserne zu verbessern.
Neustadts Bürgermeister berichtete im Gespräch mit der OP, dass das hessische Sozialministerium zur Verbesserung der Situation in Städten mit Erstaufnahmeeinrichtungen Streetworker einsetzen will – auch in Neustadt und künftig auch in Rothenburg. Diese Zusage habe er von Staatssekretär Wolfgang Dippel erhalten, sagt Groll. Streetworker, besonders qualifizierte Sozialarbeiter, sprechen ihre Zielgruppe direkt an – in diesem Falle Flüchtlinge, die in den Straßen Neustadts unterwegs sind und bieten Hilfen an. Der Kreistag hatte am vergangenen Freitag auch noch einmal an das Land appelliert, die Stadtallendorfer Polizeistation personell zu verstärken – und damit eine Forderung von Ostkreis-Bürgermeistern mit Groll an der Spitze unterstützt. Eine solche Verstärkung wird es vorläufig nicht geben, Polizeipräsident Manfred Schweizer sieht dafür nach wie vor keinen Grund, wie er bei einem Termin mit der OP im Vorfeld der Kreistagssitzung erläuterte. Er verweist auf die bisherige Entwicklung der Sicherheitssituation in Neustadt. Bisher gab es einen größeren Polizeieinsatz. „Natürlich werden wir die Lage weiterhin sorgfältig beobachten“, versichert Schweizer. Der Leiter der Polizeidirektion Marburg, Ralph-Dieter Brede, und Heinz Frank, Leiter der Polizeistation Stadtallendorf verweisen während des Gesprächs auf die Statistik. Es gibt seit Öffnung Mitte Mai keine Steigerung bei den Straftaten in Neustadt. Groll bleibt bei seiner Position, betont aber die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Stadt bei der heiklen Thematik Sicherheit. Bei der Vorbeugung, also einer stärkeren Polizeipräsenz als in der Vergangenheit, soll es aber keine Abstriche geben. Immer wieder hat auch Heinz Frank als Dienststellenleiter in Stadtallendorf das direkte Gespräch mit Anliegern der Erstaufnahmeeinrichtung gesucht. Dort sei die Stimmung gegenüber der Erstaufnahmeeinrichtung bisher nicht gekippt, so sein Fazit.
Bisher kein neuer „Überstundenberg„
Polizeichef Brede spricht beim regulären Streifendienst von einer Verschiebung zugunsten Neustadts. Negative Folgen für die anderen fünf Ostkreis-Kommunen, wo die Polizeipräsenz logischerweise sinkt, sieht Brede dabei nicht. Und wie steht es um die Zusatzbelastung für die im Ostkreis eingesetzten rund 50 Polizeibeamten? „Es ist durch die Erstaufnahmeeinrichtung kein zusätzlicher Überstundenberg entstanden“, antwortet Brede.
In Neustadt wird der Magistrat wohl zeitnahe darüber beraten, ob dort der Freiwillige Polizeidienst wieder eingeführt wird. Die Stadt hatte sich im Jahr 2013 davon aus Kostengründen verabschiedet. Die Freiwilligen könnten einen Beitrag dazu leisten, Konflikte an öffentlichen Orten zu entschärfen, so Grolls Hoffnung, der dabei unter anderem an den Bürgerpark denkt. Er hoffe aber, dass sich das Land an den Kosten von rund 4 000 Euro im Jahr beteilige. „Im Moment sind wir sehr froh darüber, dass wir in Neustadt nicht mehr zu tun haben“, so die Bilanz von Polizeipräsident Schweizer.