Eva Hartmann ist Koordinationskraft der neuen Bürgerhilfe, die Menschen ein eigenständiges Leben ermöglichen will
Neustadt. Ursprünglich wollte Eva Hartmann als Ergotherapeutin mit Kindern arbeiten. Doch dann war sie am Seniorenheim am Richtsberg tätig: „Und in der zweiten Woche ging mein Herz auf“, erinnert sich die Mombergerin an ein paar entscheidende Tage, die ihr weiteres Leben prägen sollten. Ihre Wünsche änderten sich – und nun stehen Senioren im Mittelpunkt ihres Leben. Erst recht, seitdem sie als Koordinationskraft der Neustädter Bürgerhilfe tätig ist und sich gleichzeitig auch noch um die „Leitstelle Älterwerden“ der Stadt kümmert.
„Ich finde die Idee gut, in meiner Heimat tätig zu sein und etwas Dauerhaftes aufzubauen, das unseren Senioren hilft“, erklärt Hartmann, warum sie nach 16 Jahren in Pflegeheimen – darunter 14 Jahre als Leiterin der sozialen Betreuung im Pflegezentrum Haus Rauschenberg – bereit war, etwas Neues anzugehen. Die spezialisierte Dementenbetreuung mit vier stationären Wohngruppen hatte die 38-Jährige über Jahre aufgebaut.
Zwar gibt es in der Umgebung wie Stadtallendorf oder Amöneburg bereits Bürgerhilfen, doch in Neustadt betritt sie gemeinsam mit dem Bürgerverein „Wir für uns“ Neuland. Sie sei immer wieder angesprochen worden, ob der Posten als Koordinationskraft nicht etwas für sie sei – schließlich kenne sie Stadt und Menschen. Im vergangenen Jahr hatte sie beispielsweise den Beratungstreff Demenz im Familienzentrum ins Leben gerufen, eine Art Selbsthilfegruppe für Angehörige, die sich einmal im Monat trifft (nächste Termine sind der 1. September, 17 bis 19 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Momberg, sowie der 29. September, 17 bis 19 Uhr im Haus der Vereine Neustadt). Und wer sie nicht von dort kennt, der weiß vielleicht mit der Beschreibung „Goldmanns ihre aus der Ringstraße“ etwas anzufangen.
Eine große Motivation sei, dass sie mit ihrer Familie in Neustadt alt werden wolle. Es gelte daher, schon in jungen Jahren einen Grundstein zu legen, um das Altwerden beziehungsweise das Leben als Senior zu erleichtern. In Richtung Seniorenarbeit kam sie während ihrer Ausbildung (in Gisselberg und Cölbe) samt Studium (in Kassel) zur Diplom-Ergotherapeutin. Ihr Vorteil ist eine ruhige Ausstrahlung: „Ich lasse mich nicht so schnell stressen. In der Arbeit mit Senioren bracht man Geduld und Ausgeglichenheit. Ich glaube, daher habe ich auch so einen guten Draht zu den Menschen.“ Außerdem sei es wichtig, auf jeden individuell einzugehen.
Zahncreme auf Spaghetti
Ein weiterer Vorteil: Das Arbeiten macht Eva Hartmann Spaß – was auch daran zu erkennen ist, dass sie sich bereits mehrere Veröffentlichungen auf die Fahne schreiben kann. So war sie beispielsweise mit Beiträgen beteiligt an den Fachbüchern „Ergotherapie in der Geriatrie“ und „Zahncreme auf Spaghetti – Sinn und Sinnlichkeit in der Alltagsgestaltung von Menschen mit Demenz“. Und mit den ehemaligen Ergotherapie-Kollegen vom Haus Rauschenberg hatte sie den Lehrfilm zur Wahrnehmungsförderung von Menschen mit Demenz gedreht.
Über sich selbst sagt Hartmann, dass sie eher der ruhige Typ sei und nicht gerne im Vordergrund stehe. Früher tanzte sie für die Neustädter Feuerfunken, inzwischen nennt sie ihre Kinder, Schwimmen und Spinning als Hobbys. Außerdem reist sie am liebsten nach Kroatien, weil sie dort das Meer und das Essen zu schätzen weiß und die Mentalität der Menschen mag.
Selbstbestimmtes Leben
Die Bürgerhilfe, die sie koordiniert, läuft langsam, aber sicher an: Fast zehn Helfer stehen bereit. Einige Einsätze für die Handvoll „Kunden“, die sich bisher meldeten, gab es auch schon. Ziel ist es kurz gesagt, Senioren und anderen Menschen durch kleine Hilfestellungen wie zum Beispiel Hilfe beim Einkauf, einen Fahrservice und Unterstützung auf dem Weg zum Arzt oder als helfende Hand im Haushalt Menschen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die ersten fünf Neustädter hatten ihren Fortbildung zum Bürgerhelfer beim Aushängeschild des Landkreises, der Bürgerhilfe in Mardorf, absolviert. Inzwischen läuft auch die erste Schulung in Neustadt an sich. Sie besteht aus sechs Modulen – so dass Interessierte möglichst auch noch einsteigen können, wenn die Schulungen bereits angelaufen sind. Bürgerhelfer erhalten in Neustadt für ihren Einsatz eine finanzielle Aufwandsentschädigung, bekommen kostenlose Schulungen und Fortbildungen und kommen in den Genuss von Fallbesprechungen. Analysen haben gezeigt, dass es Helfern viel bedeutet, Hilfe zu geben und Dankbarkeit zu spüren. Viele freuten sich auch, sich sinnvoll einzusetzen.
Es lohnt sich
In Neustadt habe ein junger Mann, der an der Fortbildung teilnimmt, erklärt, er wolle den Senioren durch seine Hilfe Danke sagen dafür, wie sie das Land aufgebaut haben. Sandra Ramge, Pressewartin des Bürgervereins, appelliert an die Senioren, diese Hilfsangebote auch anzunehmen – auch wenn es zunächst eine hohe Hürde sei, um Hilfe zu bitten: Es lohnt sich.