Demonstranten trotzen der Kälte – MNZ

Aktionstage der Gesamtschule beginnen / Boß weist Bürgermeister-Kritik zurück
Von Susanne PoLig (0 64 28) 44 88 40 . s.polig@mittelhessen.de
Neustadt. Hart ist das Demonstrantenleben. Das haben mehr als 100 Schüler des gymnasialen Zweigs der Neustädter Gesamtschule gestern erfahren müssen. In klirrender Kälte veranstalteten sie am Vormittag eine Schulstunde auf dem Pausenhof – zum Auftakt ihrer Aktionswoche für die Umwandlung der Schule in eine Integrierte Gesamtschule.
Die Unterrichtsstunde wurde von Schülern der zehnten Gymnasialklasse gehalten. Das Thema: Demokratie.
„Der erste Schritt ist gemacht“, stand auf einem der Transparente, die die Schüler vorbereitet hatten. Gleiches hatten die Neustädter Parlamentarier, Kreisschuldezernent Rarsten McGovern (Grüne), Schulleiter Hartmut Boß und die Elternbeiratsvorsitzende Andrea Bauscher am Dienstag festgestellt, als Bürgermeister Manfred Hoim (CDU) verkündet hatte, der gymnasiale Zweig der Schule sei zumindest für das kommende Schuljahr gerettet.
Gleichzeitig hatte Hoim die Schulleitung kritisiert, es sei im Vorfeld unter den Eltern nicht genug Werbung gemacht worden. Wie sonst hätte es passieren können, dass innerhalb von zehn Tagen die Zahl der Anmeldungen für die fünfte Gymnasialklasse sprungartig von 22 auf 32 ansteige, fragte sich Hoim.
Schulleiter Hartmut Boß verteidigt nun die Arbeit seiner Schule. „Wir haben zwei Möglichkeiten, offensiv für uns zu werben“, erklärt er. „Wir können den Eltern erstens sagen:
»Schickt eure Kinder zu uns, weil die Schule sonst kaputt geht‘. Oder zweitens: »Schickt eure Kinder hierher, weil wir eine gute Schule sind‘.“
Schule hatte sich gegen Werbung mit dem drohenden Aus entschieden
Man habe sich für die zweite Strategie entschieden. Der Grund: Vermeiden, dass der Bildungsanstalt der Ruf nachhängt, sie stünde kurz vor dem Aus. Boß schätzt, dass dies viele abgeschreckt hätte. „Da können sie jede Werbeagentur fragen. Es gilt das Motto: ,Never join a losing team‘ (Schließ dich nie einem, Verliererteam an).“ Boß ist überzeugt: „Wir sind eine gute Schule.“
Geworben habe man bei Veranstaltungen wie dem Tag der offenen Tür oder den Informationsabenden für Eltern von Viertklässlern. „Das sind ja genau die, die man erreichen will“, so der Schulleiter.
Darüber hinaus sei Hoims Aussage, die Anmeldungen für das nächste Schuljahr seien sprunghaft von 22 auf 32 angestiegen, falsch. „Die 22 ist eine vom Schulträger (dem Kreis) errechnete Prognose.“ Zwar gebe es 32 Voranmeldungen für den gymnasialen Zweig, doch sie resultierten aus einer Vorab-Befragung der Eltern – die sich mit einer Unterschrift aber „ziemlich festgelegt haben“. Offiziell angemeldet würden die Schüler erst nach den Beratungsgesprächen zum Halbjahreszeugnis. Nötig sind mindestens 24 Schüler.
Über die Entscheidung des Kultusministeriums freue man sich. Die Eltern, weiß Boß, bauen aber auf die Umwandlung in eine integrierte Gesamtschule (IGS). An einem entsprechenden Konzept hatte das Kollegium schon gearbeitet – bevor die Ministerin Ende Dezember mitgeteilt hatte, sie beabsichtige keine IGS für Neustadt. Boß scheint wenig hoffnungsfroh: „Aus meiner Sicht gibt es hier schon eine Entscheidung.“
Die Betroffenen geben noch nicht auf: Am Freitag will der Elternbeirat in der sechsten Stunde eine Demonstration organisieren. „Jeder, der sich der Schule verbunden fühlt, kann
sich anschließen“, so die Vorsitzende Bauscher.
Auch der Kreisverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstützt den Schülerprotest. „Wenn man der Gesamtschule den gymnasialen Zweig dicht macht, hat das Konsequenzen für die ganze Region“, teilte GEW-Mitglied Harmut Möller mit. „Welcher Betrieb will sich hier neu ansiedeln, wenn das Bildungsangebot für die Kinder künftiger Mitarbeiter nicht stimmt?“