Keine Überholspur trotz fruchtbaren Bodens

Neustadt stößt bei Wirtschaftsminister Mansoori auf Wohlwollen, beißt aber auf Granit
Von Florian Lerchbacher

Neustadt.
„Sehe ich die besonderen Herausforderungen der Stadt?“, fragte Kaweh Mansoori bei seinem Besuch in Neustadt und gab selbst die Antwort: „Ja.“ Ob er sehe, was in der Kommune in den vergangenen rund zehn Jahren alles umgesetzt wurde, fragte er sich weiter und gab sich wieder die gleiche Antwort – ebenso wie auf die Frage, ob er das Engagement und die Leidenschaft vor Ort sowohl bei Politikerinnen und Politikern als auch bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Angestellten der Stadt sehe. Und dennoch könne er kein „Lex Erstaufnahmeeinrichtung“ schaffen und Neustadt auch nicht auf eine „Überholspur“ in Richtung Fördertöpfen setzen.
Wichtiges Argument für die EAE-Akzeptanz

Darum hatte Thomas Groll den Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum und stellvertretenden Ministerpräsidenten zuvor gebeten – ebenso wie auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Gerhard Gatzweiler. Die beiden langjährigen Kommunalpolitiker verwiesen mehrfach darauf, dass die Stadt für das Land einen großen Dienst leiste, indem sie die Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) für Geflüchtete und die Menschen beherberge. Es sei im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern stets ein echtes Pfund gewesen, darauf verweisen zu können, dass die Stadt vor allem dank der HEAE massiv Fördermittel für zahlreiche Projekte eingestrichen habe. Projekte, die allen Menschen zugutekämen. Und es sei wichtig, auch in Zukunft mit diesem Pfund wuchern zu können.

Gatzweiler erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die zurückliegenden Wahlen, bei denen die AfD im Stadtgebiet 30 Prozent der Stimmen eingefahren hatte: Und das sei sogar in „wohlbehaltenen Gebieten“ der Fall gewesen, in die sich nie ein Geflüchteter verirre.

Außerdem stellte er heraus, dass es im Koalitionsvertrag einen Hinweis gebe, dass HEAE-Kommunen besondere Unterstützung bekommen sollten.

Kaweh Mansoori nickte dies ab, verwies aber gleichzeitig auch auf einen „Finanzierungsvorbehalt“ und betonte, dass auch das Land auf seine Finanzen achten müsse und nicht einfach den Hahn aufdrehen kann: „Ich kann keinen Geldsegen versprechen, denn dafür ist die Lage nicht da.“Hintergrund des Gespräches ist, dass Ende des Jahres die seit 2015 laufende Förderperiode Neustadts im Programm „Sozialer Zusammenhalt“ (ehemals „Soziale Stadt“) ausläuft.

Die Stadt um Bürgermeister Groll möchte unbedingt wieder in ein Städtebauförderprogramm aufgenommen werden, um weitere Projekte umsetzen zu können.

Seitdem klar war, dass sie HEAE-Kommune wird, kam sie immer wieder in den Genuss finanzieller Unterstützung – was es beispielsweise ermöglichte, das Kultur- und Bürgerzentrum zu bauen, den Park umzugestalten, Spielplätze zu bauen, Gelder für die Umgestaltung des Schulhofs einzuwerben und viele weitere Projekte umzusetzen.

11,5 Millionen Euro flossen insgesamt in dieser Zeit – von denen die Stadt „nur“ 1,9 Millionen Euro selber tragen musste. Es gebe aber noch viel mehr, was zu tun sei, sagte Groll und nannte exemplarisch die Sanierung des Jugendheims am Junker-Hansen-Turm, die Zukunftsgestaltung des ehemaligen Schwesternhauses oder des Sorgenkindes Bahnhof und den vorgesehenen Bau einer dritten Kita auf dem Hartplatz auf dem ehemaligen Kasernengelände für 4,2 Millionen Euro.

Aus diesem Grund regte er an, für Neustadt entweder die Förderperiode „Sozialer Zusammenhalt“ zu verlängern – oder die Stadt in das Programm „Lebendige Zentren“ oder „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ aufzunehmen.

Kaweh Mansoori lobte die Stadt Neustadt, die Verwaltung und die Menschen für ihren Einsatz und freute sich, dass die Fördermittel auf fruchtbaren Boden fielen und für „ganz konkrete Verbesserung der Lebensqualität“ sorgten. Zusagen machen könne er aber keine, es gebe schließlich Bewerbungsformalia und bestimmte Kriterien der Entscheidungsfindung. Sicher sei jedoch, dass eine Verlängerung des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ in Neustadt nicht möglich sei.